Umwelt und Klangdesign

Ungekürzte Version

Journal-Interview mit
Bruno Kramm und Stefan Ackermann von Das Ich

Das Ich

Das Elektro-Avantgarde Duo DAS ICH, alias Stefan Ackermann und Bruno Kramm zählen ohne Zweifel zur Sperrspitze des deutschen Underground. Anläßlich der Erscheinung ihres neuen Albums "Staub" traf das Journal die beiden zu einem Interview in Bremen. Während Stefan sich vornehmlich seiner vegetarischen Kost widmete, gab Bruno bereitwillig Auskunft.


Journal: Euer Debütalbum "Die Propheten" befaßte sich mit dem Thema Religion und Christentum. In den letzten Wochen ist nun das neue Album "Staub" erschienen. Was ist das Konzept des Albums, bzw. worüber handelt es?
B.K.: Wir arbeiten prinzipiell konzeptionell. Das neue Album basiert auf dem Konzept gesellschaftlicher, sozialer Problematiken, Umweltproblematiken, einfach die Umwälzung unserer Gesellschaft in immer größeren und schnelleren Schritten, die eigentlich tendenziell eine negative Zukunftsaussicht hat, in der Form wie sie da ist. Das fängt einfach an mit politischen Problemen und hört auf bei sozialen Problemen, Umweltproblematiken. Das ist so im groben mal der Umriß des ganzen Albums. Es wurde in eine Rahmenhandlung gefaßt, ähnlich wie bei dem Propheten Album. Beginnend mit dem Stück "Sagenlicht" und endend mit dem Titelstück "Staub", welcher recht perfekt die Quintessenz des Albums rausholt. Trakl, der expressionistische Dichter von 1910, der dieses Gedicht geschrieben hat, hat damals schon dieselben gesellschaftlichen Probleme gesehen.

Das hat angefangen bei der Industrialisierung bis zur Großverstädtung, welches den Mensch entmenschlicht in der Form, die der Individualität einfach keinen Freiraum mehr einräumt. Den Menschen vereinsamen läßt. Dies ist genau dasselbe Problem, wie es heutzutage in unserer Gesellschaft vorhanden ist.
Die Medien versuchen dem Menschen ein Bild vorzugaukeln, wie er zu sein hat. Entsprechend dem Werbebild, kauf dieses-kauf jenes Produkt und du wirst soundso sein. So wie es auch in der Werbung immer wieder perfekt versucht wird zu assoziieren. Diesem kann natürlich kein Mensch gerecht werden und entsprechend vereinsamen Menschen dementsprechend mehr. Die Massenmedien beballern die Menschen quasi von früh bis spät mit tausenden von Informationen, aus denen er schon gar nichts mehr herausziehen kann. Die ins rechte Ohr reingehen und aus dem Linken wieder verschwinden.
Insofern ist der moderne Mensch in seiner Gesellschaft einfach am vereinsamen. Das ist zum Beispiel die gesellschaftliche Thematik, die wir angesprochen haben.

Das Album hat weniger als Quintessenz die apokalyptische Vorstellung einer Gesellschaft die am Ende ist oder zerfällt, sondern vielmehr den Gedanken Entropie der Auflösung. Jedes System was du versuchst zu ordnen, auch immer mehr in Chaos übergeht, oder der chaotischte Zustand der geordneteste Zustand ist. Wenn wir versuchen die Evolution unserer Gesellschaft selbst in die Hand zu nehmen, in geregelte Bahnen zu lenken, zerbricht die Gesellschaft daran.

Journal: Einerseits ist dieses recht aktuell, aber anderseits hat es dieses doch immer gegeben.
B.K.: Natürlich, das hat es immer gegeben und das wird es immer wieder geben. Es gab schon viele Gesellschaften, die zerbrochen sind und neue Menschheiten und Gesellschaften haben sich herausgebildet. Aber wir als Individuum, die in dieser Gesellschaft jetzt leben, für uns wird dies zwangsläufig zu einem großen Problem werden. Das kann auch zu großen Konflikten führen.
Schau dir allein die Erste und die Dritte Welt an, wie dieser Abstand sich immer mehr vergrößert. Es war kaum vorstellbar, daß in einem Radius von weniger als 1000 km innerhalb Europas Kriege sind, wie eben dieser schreckliche Genozid in Jugoslawien. Solche Dinge, die rücken eigentlich immer immer näher. Auch diese Angst, daß irgendwann einmal vielleicht der Islam mit seinem extremen fundamentalistischen Glaubenssystem eigentlich nur noch auf ihren Erlöser und Messias wartet, um die westliche Welt quasi zu erdrücken. Es sind so unwahrscheinlich viel Probleme, die aber auch gerade von unserer Welt -von unserer Gesellschaft- so perfekt immer unter den Teppich gekehrt werden, anstatt daß man sich wirklich damit beschäftigt, sie einem dann einfach zu groß werden.

Journal: Meint ihr denn wirklich, daß ihr etwas daran ändern könnt ?
B.K.: Dieses Thema ist eine Bestandsaufnahme und als Künstler/Musiker hast du niemals die Möglichkeit etwas zu verändern. Entsprechend DAS ICH war schon immer ein Projekt, das weniger versucht hat, eine Message herüberzubringen, oder irgendwas zu verändern, sondern es ist eine Bestandsaufnahme. Wer hat schon eine Patentlösung für diese Probleme parat.

Journal: Die Instrumentierung auf "Staub" ist ausgefeilter und wirkt nicht mehr so statisch wie auf "Die Propheten". Der angekündigte Stilwechsel hat aber nicht stattgefunden. Wußtet ihr nicht in welche Richtung es weitergehen soll, oder hattet ihr den Stilwechsel angekündigt, da ihr an einem Endpunkt angelangt ward, den ihr nicht hättet übertreffen können ?
B.K.: Also dieser Stilwechsel wurde von den Medien immer gerne so überpräsentiert, weil wir gesagt haben, wir wollen mal gucken uns weiterzuentwickeln. Wir wollen mal schauen andere Thematiken aufzugreifen, hieß es für uns nicht musikalisch alles was wir machen komplett umzuwerfen. Wir haben es weiterentwickelt.
Es war klar, daß dieses neue Thema eine komplett andere Instrumentierung verlangt. Das damalige Thema Religion als solches, mit seiner ganzen Plakativität, dieser ganzen Symbolik, gerade religiöser Motive hat auch verlangt, daß die Musik entsprechend pathetisch überzogen teilweise daher kam. In der Form eines Traumes eben dargestellt wurde. Das neue Material ist vom Inhalt wesentlich authentischer, realer, realistischer und verlangt deswegen auch von der Musik gerade eine gewisse Realität und das kommt in dem Fall schon rüber. Es ging nicht darum, daß wir einen Stilwechsel machen wollten, weil Industrial-Elemente gerade hipp und angesagt sind und daß es sich dadurch besser verkauft, sondern es war einfach der Zwang der Thematik.

Journal: Warum hat das neue Album solange auf sich warten lassen ?
B.K.: Das neue Album hat eigentlich gar nicht lange gedauert. Das neue Album hat gerade 2 Monate gebraucht. Wir hatten sogar extremen Zeitdruck. Wir haben teilweise bis zu 18 Stunden am Tag gearbeitet, damit es rechtzeitig fertig wird. Wir hatten einfach nicht genug Zeit für unser eigenes Projekt und haben uns in den letzten Jahren vorrangig um unser Label gekümmert. Wir hatten bis vor kurzem 12 Band auf dem Label, was für so ein Unternehmen heißt, daß du wirklich kaum den Bands in der Promo gerecht werden kannst und dann auch nur wenn du nur fürs Label arbeitest. Stefan hat wahnsinnig viel Promo-Arbeit gemacht und ich hab unwahrscheinlich viel Bands produziert. Es war keine Zeit mehr da.

Journal: Für mich sind die beiden Höhepunkte vom "Staub" Album "Von der Armut" und "Sagenlicht". Was könnt ihr dazu sagen ?
B.K.: "Sagenlicht" hat uns persönlich auch viel Spaß gemacht, weil es aus der traditionellen Songstruktur ein wenig herausgeht. Der normale Aufbau Strophe- Refrain-Strophe-Mittelteil-Refrain, so wie Songs generell aufgebaut sind, wird vermieden. Die Steigerung bis zum Schluß, quasi bis zur Ekstase verleiht dem Stück eine Dynamik und gefällt uns persönlich auch am besten. Tendenziell ist "Sagenlicht" auch die Richtung, wo weiter intensiviert wird. Aber kann man auch noch nicht so genau sagen, da wir noch gar nicht wissen, wohin das nächste Album geht. Wir werden kaum in der Stilistik weiter machen. Uns ist es wichtig, daß sich die Alben unterscheiden, zudem was sonst gemacht wurde. Das ist auch ein Kritikpunkt, den wir an die meisten deutschen Elektronikgruppen richten, daß die Sachen teilweise so austauschbar sind. Du kannst ein Stück von dem einen Album nehmen und aufs nächste packen. Es würde gar nicht auffallen.

Journal: Aber spiegelt dies nicht gerade unsere Zeit wieder, alles ist austauschbar ?
B.K.: Ja, sicher. Aber deswegen wollen wir nicht in irgendwelche Mechanismen verfallen, sondern wollen versuchen die Themen auch musikalisch möglichst authentisch umzusetzen. Dies heißt automatisch ein nicht austauschbarsein mit altem Material.

Journal: Ihr habt in diesem Jahr euer Sound-Studio neu eingerichtet. In wieweit ist der Klang eurer Musik von den technischen Vorraussetzungen abhängig, bzw. wie hat sich dieses auf "Staub" ausgewirkt ?
B.K.: Das Studio wurde ja kontinuierlich immer weiter ausgebaut. Damals bei "Propheten" waren die Möglichkeiten nicht so groß. Weil ich als Produzent auch für andere Bands sehr viel arbeite, war es ein konsequenter Schritt, daß ich das Studio einfach vergrößere. Was natürlich klar ist, daß im Zuge der neuen Sampling-Technologien andere Geräte da sein mußten. Es ist einfach so, daß bei dem neuen Album sehr viel von der Kompositionsarbeit auch am Klangdesign als solches hing. Also sprich beim alten Album hat die Programmierung der Klänge nicht so furchtbar lange gedauert. Ich hatte auch einfach nicht soviel Geräte. Beim neuen Album war es eigentlich schon 50% der Kompositionsarbeit.
Das Klangdesign ist auch ein Kritikpunkt, den ich bei vielen Elektronikbands aufgreife. Der Begriff der elektronischen Musik wird irgendwie mißbraucht. Elektronische Musik machen heißt ja auch am Klang zu experimentieren und zu arbeiten. Und da schaut es nun mal so aus, daß viele elektronische Bands einfach nur Werksounds verwenden von gekauften Synthesizern, ohne eigentlich selber effektiv am Klangdesign zu arbeiten oder zu versuchen den Klang als weiteres Kompositionsmittel einzusetzen. Und das ist bei uns schon ein bißchen anders. Bei uns gibt es keinen einzigen Werksound auf der ganzen Platte, da wird ganz konsequent gearbeitet, daß eben das klangliche Moment auch zur Geltung kommt.

Journal: Ich sehe das aber auch so, daß man elektronische Mittel nutzt, da man einfach keine anderen, bzw. nicht alle Instrumente selber spielen kann, die man gerne einsetzen möchte.
B.K.: Sicher, das ist auch so ein Ding, wenn du dir anschaust, daß quasi versucht wird irgendwelche Immitate oder ganze Sampleschleifen zu übernehmen von andern Stücken. Aber das finde ich ist nicht der tiefere Sinn von dem, was du aus Elektronik rausholen kannst.

Journal: Habt ihr schon mal mit dem Gedanken gespielt, Originalinstrumente einzusetzen ?
B.K.: Hatten wir schon paarmal probiert, ist aber immer kläglich gescheitert. Teilweise haben wir versucht mit echten Streichern zu arbeiten, also quasi was synthetisch als Streicherarrangement komponiert war, am Klavier geschrieben war, auf echte Streicher zu übertragen. Aber das Problem ist einfach, daß es bei uns zu wenig Musiker gibt, die sich mit so einer Musik arrangieren könnten. Und gerade wenn du mit einem Streicherensemble arbeiten möchtest, kannst du nur auf klassische Musiker zurückgreifen. Und für die ist diese ganze Konzeption doch irgendwie ein Stückchen zu hart. Die haben einfach dann das Problem, dieses umzusetzen.

Journal: Also ist es eigentlich mehr ein technisches Problem als ein finanzielles ?
B.K.: Es ist schon mehr ein technisches Problem für die Musiker. Ansonsten wir arbeiten auch mit akustischen Instrumenten, gerade sehr viel mit Klavier. Wir haben auch in der Vergangenheit sehr viel mit Klavierballaden gemacht. Da ist schon auch der Drang da in die Richtung zu gehen, klar.

Journal: Könnt ihr euch vorstellen auch in einer andern Sprache zu singen als der Deutschen, bzw. warum benutzt ihr gerade die deutsche Sprache ?
B.K.: Mit der deutschen Sprache können wir uns einfach am direktesten artikulieren. Sie ist auch klanglich für uns sehr interessant. Gerade die deutsche Sprache mit ihrer harten Rhythmik und harten Akzentuiertheit, weil auch noch sehr viel mehr Konsonanten vorhanden sind als in anderen Sprachen. Sie kann einen eigenen Polyrhythmus zur Musik bilden . Das ist auch das, was in Amerika am besten rüber kam. Die haben die Musik nicht verstanden, fanden es aber von der Rhythmik her toll.
Dann natürlich auch, es ist unsere Muttersprache. Damit können wir uns am besten artikulieren. Lyrisch von den Einflüssen her ist auch die Epoche von 1910 ab , der Expressionismus, deshalb auch das Tragikgedicht als einzige Vertonung eines Gedichts am meisten anspricht. Das ist einfach von der sprachlichen Form her eine unwahrscheinlich romantische, aber trotzdem sehr extreme Sprache, die auch gut artikulieren kann mit bildhaften Elementen, mit Metaphern in einer Form, wie es sonst in der deutschen Sprache sehr selten angewendet wurde. Und deswegen ist es für uns stilistisch die Sprache und deshalb würde Englisch niemals in Frage kommen.

Journal: Was erhofft ihr euch von dem enormen Promotion Aufwand zum neuen Album ? Glaubt ihr ehrlich, daß ihr mit eurer Musik eine noch größere Hörerschaft als die sogenannte "Schwarze Szene" anziehen könnt.
B.K.: Die haben wir. Schon lange. Das erste Album hat 30000 Stück verkauft. Es haben sich gewaltig viel Industrie Firmen bei uns gemeldet, die unbedingt eine neue Scheibe von DAS ICH haben wollten. Auch dort von der Marktstrategie her sehen sehr viele, daß es ein Thema ist, was sich ausbauen läßt. Auch in Amerika. Wir werden jetzt unsere neue Scheibe auf einem Major-Label in Amerika veröffentlichen, weil es auch die einzige Möglichkeit ist, daß du wirklich auch in jedem Bundesstaat stehst.
In Deutschland die Überlegung für den Promotion Aufwand geht in diesem Fall noch nicht einmal von uns selber aus (von Danse-Macabre), sondern von unserem Vertrieb, der einfach dort eine große Chance sieht momentan das entsprechend unters Volk zu bringen. Ich mein, das ist gar nicht so direkt von uns gekommen, diese ganze Promo Aktion. Wie du auch mitbekommen hast von Public Propaganda, von EFA, vom Ausfahrt Musikverlag, also das geht vor allem von den angeschlossenen Firmen aus.

Journal: Ihr seid ja nicht die einzige Gruppe. Es gibt ja z.B. Deine Lakaien, Wolfsheim, Project Pitchfork, And One, die auch alle Plazierungen in den Charts verbuchen können. Ist hier eine Tendenz für die Zukunft abzusehen?
B.K.: Schau dir z.B. doch mal den Mainstream an. Der bewegt sich in so abgetrampelten Pfaden, daß auch das normale, konventionelle Publikum irgendwann die Schnauze wirklich voll hat. Du siehst es ja schon in Amerika. In Amerika sind Gruppen wie Nine Inch Nails in den Billboard-Charts auf Platz Nummer 1. Das ist halt unvorstellbar, wenn man ein paar Jahre zurückdenkt. So extreme Musik. Aber entsprechend langsam verändern sich die Hörgewohnheiten. Genauso wie in Deutschland vor 3-4 Jahren Nirvana rauskam. Wer hätte sich vorstellen können, daß die irgendwann im öffentlich-rechtlichen Rundfunk laufen? Die ganzen Öffentlich-Rechtlichen haben sich gegen diese Sachen ausgesprochen. So was können wir doch nicht spielen, daß ist doch nicht chartkompatibel. Und ich glaube schon, daß bei dem Wandel der Hörgewohnheiten sicher langfristig auch für solche Sachen eine Chance da ist. Und wieso soll man sie nicht nutzen.

Journal: Kommen wir nun zu eurer letzten Tour. Ihr habt eure erste US-Tour absolviert, mehrere Auftritte in Frankreich und dann noch in über 20 deutschen Städten. Ich bin der Meinung, die Live-Darbietung hat gegenüber zu früheren ein wenig an Aggressivität verloren und fällt gemäßigter aus. Woran lag das ?
S.A.: Das Ding ist, wenn wir ein Album machen, erst einmal ein Konzept haben und das Konzept vom Propheten Album war nun mal sehr plakativ, sehr übertrieben, weil eben das Thema Religion sehr mit plakativen Begriffen um sich schmeißt. Und so kann man dann als Monster auf der Bühne stehen. Und die neuen Themen gehen nun mal mehr so auf menschliche Basis, auf Umweltproblematiken und Sozialproblematiken ein. Dies ist wiederum wesentlich humanistischer und da muß man dann als Mensch auf der Bühne stehen.

B.K.: Ein weiterer Punkt, der uns auch gar nicht geschmeckt hat, langfristig war, daß ein Großteil, gerade auch aus der "Schwarzen Szene" , durch diese überzogene Schminke, die bei uns damals eben da war, die Sachen viel fan-fanatischer genommen hat und teilweise eine Art Message von uns verlangt hat, die sie stur ohne nachzudenken aufgenommen haben. Auch über die symbolischen Begriffe. Es wurde nicht darüber nachgedacht, wenn gesungen wurde "Satans neue Kleider". Es wurde als etwas extremes Böses gesehen, aber überhaupt nicht drüber nachgedacht. Wir haben überhaupt keine Lust uns vor so einem fanatischen Fanpublikum zu bewegen. Da muß einfach eine neue Authentizität her, damit das nicht mehr so oft passiert.

Journal: Dazu ist allerdings zu sagen , ein Großteil eurer Popularität habt ihr durch eure Bühnenshow erlangt.
B.K.: Sicher auch, wobei es besteht immer aus mehreren Dingen. Zum Beispiel in Amerika unsere Popularität die wir dort erlangt haben, da waren wir in keiner Form durch unsere Live-Performance bekannt. Da liefen eben die Titel wie "Kain und Abel" in den Radiostationen rauf und runter und deswegen hat sich eben eine Konzertagentur an uns gewendet. Entsprechend war dann die Resonanz auch da. Auch damals in Deutschland als wir angefangen hatten und die "Satanische Verse" sich ausgezeichnet verkauft hatte, hatten wir gerade in Süddeutschland 2-3 Konzerte und mehr nicht. Das eine Bühnenshow perfekt sein muß, ist ein zusätzlicher Multiplikator, aber daran alleine liegt es nicht. Deswegen haben wir auch keine Angst. Ganz im Gegenteil, das neue Album ist gerade 3 Wochen auf dem Markt und schon 25000 Stück sind verkauft. Das spricht auch für uns.

Journal: Ich möchte hier eine Kritik anbringen, warum müssen die Konzerte immer so unwahrscheinlich laut sein?
B.K.: Das habe ich mehrfach gehört. Ich bin der Meinung elektronische Musik oder tanzbare Musik muß eine gewisse Lautstärke haben, aber zu laut darf es nicht sein. Ich habe auch schon von unserem zukünftigen Mischer gehört, der selber sehr viel elektronische Musik hört, daß es schon etwas zu weit über die Schmerzgrenze gegangen ist. Das hat vielleicht etwas damit zu tun, wir hatten live einen amerikanischen Mischer dabei. Und die Amerikaner tendenziell schon sehr laut abmischen und wir auf der Bühne das gar nicht mitbekommen, weil wir im Schatten der Lautsprecher stehen. Es soll schon ohrenschädigend gewesen sein und man die Musik gar nicht mehr genießen konnte, weil es einfach zu laut war. Da wird sich auch in Zukunft ein bißchen was ändern.

Journal: Ihr habt im Sommer eure erste US-Tour abgeschlossen. Was haltet ihr vom amerikanischen Publikum, bzw. wie hat es euch gefallen ?
B.K.: Super. Einfach klasse. Einfach besser als bei uns. In der Hinsicht, in Deutschland wird versucht immer Schubladen zu bilden. Und das ist furchtbar, weil das Publikum sich immer einer bestimmten Schublade zugehörig fühlt. In Amerika wird generell diese ganze Art von Musik als Rock Musik bezeichnet. Wird jeder Band individuell mehr gerecht und das Publikum ist auch dementsprechend bunter gemischt. Also es ist wirklich vom Bankangestellten bis zum Punk, zum Yuppie, es sind alle möglichen Szenen dort vorhanden. Es war einfach schöner vom Publikum her. Die Leute sind wesentlich euphorischer als bei uns. In Deutschland kommt es ja durchaus vor, daß das Publikum am Boden sitzt und du denkst dir, oh Scheiße, daß muß für die ja unwahrscheinlich langweilig sein. Hinterher kommen sie zu dir und erzählen dir, das fanden wir ganz toll.
Manchmal merkt man es auch richtig, daß viele Leute (gerade aus der schwarzen Szene) die auf Konzerten sind, nur hingehen, um sich sehen zu lassen, andere zu sehen und über Styling zu plaudern.

Journal: Wie kommt die deutsche Sprache dort an? Verstehen die die Texte überhaupt ?
B.K.: Die Texte verstehen sie natürlich nicht, aber die Sprache kommt gut an. Es ging auch weniger um die Texte. Es wurde getanzt, die Bühnenshow wurde gut aufgenommen. Für die war vor allem halt wichtig, die deutsche Sprache klingt unwahrscheinlich hart akzentuiert, bildet einen eigenen Rhythmus zur Musik und war insofern halt vom Klang für die Leute interessant. Wir wurden natürlich auch manchmal nach den Konzerten gefragt, wovon singt ihr überhaupt ? Als wir dann erzählt hatten, um was es ging, bekamen wir oft die Antwort, das haben wir uns schon fast so vorgestellt.
Aber eigentlich ist es für die Leute kein Hindernis gewesen, die Musik nicht verstehen zu können.

Journal: Was haltet ihr davon, daß man euch mit dem Begriff "Neue Deutsche Todeskunst" betitelt ?
B.K.: Es gibt nur wenige Medien, die uns so betiteln. Ich glaube auch, daß er vielmehr Bands gerecht wird von Relatives Menschsein, Endraum bis Goethes Erben.
Todeskunst ist schon ein sehr seltsamer Begriff. Das "Neue Deutsche" kann man ja gerade noch akzeptieren, weil es irgendwie noch im Sinne von marktwirtschaftlichen Strategien versucht an "Neue Deutsche Welle" zu assoziieren. Wir wehren uns ganz gewaltig mit sowas betitelt zu werden.

Journal: Wie steht ihr heute zu dem Stück "Gottes Tod" ?
B.K.: Gottes Tod ist im Rahmen dieser konzeptionellen Auseinandersetzung mit dem Thema Religion in Ordnung, im Sinne des Ganzkonzeptes als ein Song des Albums. Als der Hit-Song, der es nunmal war, alleine für sich stehend finden wir den Song ein bißchen irreleitend und ein wenig problematisch. Nicht mehr ganz so in unserem Interesse. Es war der erste Song, den wir gemacht haben. Wir haben herumexperimentiert mit der neuen Stilistik, insofern ist er viel zu stark noch von diversen Anfangsschwächen durchsetzt.

Journal: Welches ist euer wichtigster Song, bzw. welchen mögt ihr am liebsten und warum ?
B.K.: Lieblingssong kann man schlecht sagen, da wir uns unsere eigenen Stücke selten selber anhören. Persönlich gefallen uns die Sachen am besten, die am unpopulärsten waren. So Sachen wie "Sonne,Mond und Sterne", wie "Ein Tag vergeht", so Klavierballaden wie "Jericho" und "Frevel" finden wir eigentlich am besten. Obwohl sie vom Publikum gar nicht unbedingt so positiv aufgenommen werden. Deswegen haben wir die mittlerweile aus dem Konzertprogramm gestrichen.

Journal: Ihr besitzt wie bereits gesagt auch ein eigenes Label. Welche Gruppen habt ihr zur Zeit unter Vertrag und was ist sonst noch dazu zu sagen ?
B.K.: Wir haben gerade aus dem Grunde, weil wir zuviel Gruppen auf dem Label hatten, unser eigenes Projekt nicht mehr machen konnten und teilweise den Bands mit der Promotion nicht mehr gerecht wurden, hinter manchen Bands was sie musikalisch machten auch nicht mehr stehen konnten, sehr viele Bands vom Label geschanzt. Wir haben jetzt einen relativ kleinen aber feinen Stamm an Bands. Als dort wären "Printed at Bismarcks Death", "Christian Wolz", kAlte fArben, ein neues Signing aus Amerika "Ichor" und eben "Das Ich". Das ist das, was uns persönlich mehr anspricht. Das ist wichtig, da dieses Label eine große Portion von Idealismus verlangt, weil es eben eine kleine Firma ist. Und es ist mit der Rechtfertigung einfach nicht mehr so problematisch. Relatives Menschsein und Endraum waren für uns immer ein gewisses Rechtfertigungsproblem, weil auch versucht wurde uns in eine bestimmte Schublade zu stecken.

Journal: Zusammen mit And One, Deine Lakaien und Project Pitchfork seid ihr auf einer demnächst erscheinenden CD-Rom zu finden. Was ist hierauf zu finden ?
B.K.: Das haben wir auch erst viel später mitbekommen. Das ist auch nicht von uns gekommen, das hat unser Verlag selbst gemacht. Wir haben sie noch nicht einmal gesehen.
Das sind ja unter anderem auch die Aufgaben, die so ein Verlag hat, neue Medien zu erschließen. Aber viel zu sagen können wir dazu auch nicht.

Journal: Was ist für die Zukunft geplant. Was ist von der Zusammenarbeit mit dem Deine Lakaien Musiker Alexander Veljanow zu erwarten ?
B.K.: Das ist ein Projekt, wo Künstler aus dem Undergroundsektor -frei von allen Konventionen- experimentieren können, was sie in ihren eigenen Projekten oft nicht machen können. So wollen wir uns mit vielen Musikern aus dem Underground aus Deutschland einfach treffen und sessionmäßig, aus dem Bauch heraus einfach eine Platte machen.

Journal: Wißt ihr schon in welche Richtung die gehen soll ?
B.K.: Das ist noch überhaupt nicht klar. Das ist auch gerade das Konzept der Sache. Das eigentliche Problem ist, daß wir überhaupt noch nicht wissen, wie wir das zeitlich auf die Reihe bekommen sollen. Zudem sich auch noch andere Gruppen bei uns gemeldet haben, die mit elektronischen Elementen remixt werden wollen-die Death-Metal-Band "Atrocity". Dann haben wir ein anliegendes Soloalbum von Cyan von "The Eternal Afflict", die nächste Qntal Scheibe soll bei uns gemacht werden. Also da sind so wahnsinnig viel Projekte. Wir werden nach dieser Promo-Tour uns nach Amerika verabschieden und dort unseren Videoclip drehen. Dann wird die Maxi-Single noch fertig gemacht, die bei Adrian Sherwood remixt wird. Im März wird noch mal eine Deutschlandtour kommen. Das Problem war, das Album wurde veröffentlicht nach der eigentlichen Europatour. Ein bißchen Schade. Vielleicht war die Tour aber auch ein gewisser Appetizer fürs Album, deswegen auch im März noch mal eine Deutschlandtour. Dann werden wir mit neuem Material anfangen, weil wir im August nach Amerika müssen, um quasi den Remix in Form einer Tour zu präsentieren.

Journal: Was ist zum Surround Sound zu sagen, den ihr auf eurer Tour benutzt habt ?
B.K.: Es waren wahnsinnig viel Sachen programmiert, nur das Problem auf einem Konzert ist, bei einer gewissen Lautstärke kannst du gar keine räumlichen Ortungen mehr wahrnehmen. Das war wahrscheinlich auch das Problem, was wir erst schon mal angesprochen haben, daß es einfach zu laut war und die Effekte nicht mehr so rüber gekommen sind. Wir hatten sehr viel räumliche, klangliche Sachen vorbereitet, aber die sind irgendwie untergegangen im ganzen Lärm. Das ist ein bißchen Schade. Manchmal waren die technischen Anforderungen an die Bühnen auch nicht erfüllt. Da werden wir auch auf der nächsten Tour noch mal gucken, ob man dies nicht noch intensivieren kann.

Journal: Wird man euch demnächst im TV sehen können ?
B.K.: Man konnte uns vor kurzem erst im SWF 3 sehen, es soll demnächst auch in N3 noch gesendet werden. Dann hatten wir auf ARTE noch eine Menge Features. Wir haben natürlich auch eine Menge abgelehnt, z.B. Schreinemakers, die im Endeffekt das ganze Thema nur wieder als friedhofsplündernde Satanisten aufziehen wollten. Das wurde dann ziemlich schnell klar, als ich bei dem entsprechenden Redakteur nachfragte, daß er uns schriftlich geben sollte, daß solche Thematiken nicht angeschnitten werden sollten und dem darauf die Kinnlade herunterfiel.

Journal: Diese Geschichten beziehen sich ja auch sowieso überhaupt nicht auf die Elektro-Avantgarde Szene, sondern vielmehr auf die Death-Metal Szene.
B.K.: Ja natürlich, das ist es ja gerade. Irgendwo diese satanistischen Sektengeschichten findest du viel eher im Death-Metal Bereich oder eben bei ganz normalen Bankangestellten als in dieser schwarzen Szenerie. Das ist ja eben der Hohn. Das liegt gerade an diesen Gazetten, an diesen wirklichen Flachblättern wie Quick und wie sie alle heißen.

Journal: In eurem Promo Material wird der Vergleich mit den Krupps, Einstürzende Neubauten und Kraftwerk gezogen, wie ist dies zu verstehen ?
B.K.: Das kommt eigentlich auch nicht von uns, das ist vom Vertrieb. Wir sind ja prinzipiell soundso gegen eine Schubladenkategorisierung und entsprechend eben auch gegen sowas. Sehr viele Journalisten brauchen es einfach, weil sie sich die CD eventuell eh nicht anhören. Es ist eigentlich nicht in unserem Interesse.

Journal: Stichpunkt "Riechst du das ?"
B.K.: Ja das ist auch so eine Geschichte. Es hat wahnsinnig viel Spekulationen gegeben, daß es von uns kommt, bzw. daß Stefan gesungen hätte. Aber das stimmt einfach nicht.

Journal: Also es stammt nicht von euch ?

B.K.: Nein. Es wurde gesagt, daß wir damit nur die schnelle Mark machen wollten. Es stammt aber nicht von uns. Da hat irgend ein findiger Fuchs, der wie Stefan sprechen konnte, ein Stück in der Art aufgenommen und es ist auch dann gelaufen, aber es ist nicht von uns.

Journal: Es macht ja auch nichts. Es wäre ja vielleicht als Verarschung der Charts ganz witzig gewesen.
B.K.: Ja, wie gesagt, wir hatten es gar nicht gemacht und waren selbst ganz baff als wir es gehört hatten.


Journal: Ja das wars. Ich bedanke mich bei euch für das Interview.


(Maik Heinsohn 12/1994)

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