Musik mit Ecken und Kanten
Das Internet birgt Chancen und Gefahren für alternative Sounds
Während bei den Radio- und Fernsehstationen der Mainstream das Musikprogramm bestimmt, bietet das Internet eine neue Plattform für unbekannte, innovative Musiker.
Andererseits sehen sich viele Plattenlabel in ihrer Existenz gefährdet, weil Musik aus dem Internet heruntergeladen werden kann.
Das neue Medium, das zur maßgeblichen Technologie des neuen Jahrtausends werden kann, bietet so sowohl Chancen als auch Gefahren. Der Vorteil des Internets liegt darin begründet,dass man sich jederzeit Informationen besorgen kann und diese Information auch von jedem relativ kostengünstig veröffentlicht werden kann.
Eine Musikzeitschrift benötigt einen langen zeitlichen Vorlauf bis zum Erscheinen, der Vertriebsweg und der Druck verursachen hohe Kosten. Gleichzeitig fallen im Radio und Fernsehen ausführliche Darstellungen von Randthemen dem Einheitsgeschmack der großen Masse mehr und mehr zum Opfer. Ebenso verhält es sich mit alternativen Musikrichtungen.
Fernseh- und Radiostationen wenden sich mit ihrem Programm an den statistisch erfaßten Durchschnittshörer und dementsprechend fällt auch das Programm aus. Musik ohne Ecken und Kanten, ohne Identität und Seele dient nur noch dazu, den Hörer bis zur nächsten Werbepause bei der Stange zu halten. Neue Musiker und Musikrichtungen haben wenig Chancen, wenn sie sich nicht den Marktmechanismen unterwerfen.
Zur Zeit noch in den Kinderschuhen, bietet das Medium Internet die Möglichkeit, Auge und Ohr multimedial zu versorgen. Zudem auch noch recht preiswert. Informationen über Musik und Musiker können zeitlich unabhängig in Anspruch genommen werden, ohne von einer Sendeeinrichtung geleitet zu werden. Online-Radio und Online-Magazine benötigen nicht den kostenintensiven Vertriebsweg, um zu publizieren. Diese Tatsache verursacht allerdings auch erhebliche neue Probleme. Downloadbare Musiktitel (MP3-Files) könnten den zur Finanzierung und Aufbau eines Musikers notwendigen CD-Verkauf schmälern. Viele Plattenlabel sehen sich dadurch in ihrer Existenz gefährdet. Kleinere Plattenlabel werden vom Markt verdrängt und somit auch die alternativen Musiker. Eine ähnliche Diskussion gab es allerdings auch schon zu Zeiten der guten, alten Kassettenrecorder. Ein Ausweg aus dieser Abwärtsspirale der alternativen Musik scheint nur schwer zu finden, wie der derzeitige Musikmarkt eindrucksvoll veranschaulicht. Die Musikindustrie schneidet sich mit der Vermarktung von Konservenmusik die eigene Lebensader ab und scheint es noch nicht einmal ändern zu wollen. Wenn sich zahlreiche Radiosender in ihrer Senderegion auf den Zug des Formatradios geworfen haben und sich den limitierten Hörerkreis teilen, ist dann nicht auch wieder Platz für innovative Sender? Solange die Musikindustrie dieses nicht erkennt und auf eine vermehrte Publikation von alternativer Musik vehement hin wirkt, bleibt nur das Internet und diverse einschlägige Musikmagazine, um den Durst nach einer Alternativmusik zu stillen. Mit allen Vor- und Nachteilen. (Maik Heinsohn 12/1999) |