Interview mit Ernst Horn
» Deine Lakaien 2002 « Ungekürzte Version Journal-Interview mit Ernst Horn zum neuen Album "White Lies" Sowohl Alexander Veljanov (Gesang) als auch Ernst Horn (Instrumente und Produktion) haben sich im vergangenen Jahr auf ihre Soloaktivitäten konzentriert. Gleichfalls ist aber auch ein neues Album von Deine Lakaien entstanden und auch in der Live-Performance hat sich eine Menge getan. Das Journal sprach mit Ernst Horn über die neusten Entwicklungen bei den Lakaien.
Journal: Auf die Veröffentlichung eines neuen Albums wurde lange gewartet. Warum kommt das neue Album jetzt sehr plötzlich auf den Markt? Ich hätte mit einer VÖ im Frühjahr gerechnet?
Ernst Horn: Es gab schon so verschiedene Optionen. Natürlich wäre es für die Plattenfirma idealer gewesen, wenn das schon im Herbst alles herausgekommen wäre, aber es hat sich einiges verzögert. Es war bei Alexanders Soloprojekt so, daß es etwas später in die Gänge kam, als geplant. Dann habe ich Helium Vola gemacht, etwa zur selben Zeit und auch noch später. Daß es jetzt im Winter herauskommen soll, das war dann schon im Frühjahr etwa so abgemacht mit der Plattenfirma. Und dann habe auch ich Helium Vola irgendwann abgebrochen, wie ich gesehen habe, jetzt müssen wir. Ich weiß jetzt auch nicht, ob das sehr überraschend ist. Es war jetzt vielleicht alles nicht so langfristig angekündigt.
Journal: Müssen die Alben von Deine Lakaien immer im Winter veröffentlicht werden? Sind es typische Winteralben?
Ernst Horn: HaHaaa. Kasmodiah ist, glaube ich, mitte April herausgekommen. Eigentlich ideal für Lakaien wäre wohl Oktober, wenn so die ersten Herbstnebel durch das Land wallen. Dann wäre es wahrscheinlich perfekt. Ja klar, wir sind jetzt nicht so die Sommer-Band. Also, das mit der Veröffentlichung ist schon oft Zufall. Da gibt es ja dann dieses Sommerloch, wo man irgendwie nicht veröffentlichen soll. Ja Gott. Ein Album muß ja wirklich drei Monate vor der Veröffentlichung fix und fertig sein. Am aller Liebsten ist es den Plattenfirmen ein halbes Jahr vorher.
Journal: "White Lies" ist als Gesamtwerk betrachtet, ruhiger und sanfter ausgefallen als die früheren Alben. Der Anteil der melancholischen, balladen-ähnlichen Stücke ist auf diesem Album größer geworden. Die sich bekämpfenden Gegensätze innerhalb der Stücke sind wesentlich geringer ausgefallen. Was ist der Grund dafür?
Ernst Horn: Ja, ich glaub das ist schon richtig gesehen.
Also, es ist relativ ein ruhigeres Album. Ein bißchen ist es natürlich auch subjektiv und auch ein bißchen Zufall. Wir haben wirklich in letzter Minute noch ein schnelles Stück rausgeschmissen und eine Ballade drin behalten, weil es einfach das bessere und schlechtere Stück war. Was dann übrig bleibt als Quintessenz ist schon, daß wir diesmal langsamere Stücke geschrieben haben. Das hat seine Gründe. Es war bestimmt nicht Absicht, ein ruhigeres Album zu machen. Das war ganz bestimmt nicht die Absicht, sondern es haben sich einfach vom inhaltlichen mehr Balladen ergeben. Es sind schon ziemlich viele, relativ schwermütige Texte. Das wahr wohl jetzt irgendwie so eine Phase, in der wir anscheinend solche Stücke schreiben wollten. Anders kann ich es mir nicht erklären. Also, ich stand persönlich vor 1 ½ Jahren, wo ich sehr viel politische Texte geschrieben habe so in den Eindruck der New Economy, die damals so geboomt hat. Diese Dot.Com-Blase und all diese Sachen und das hat sich zum Teil ziemlich selber erledigt. Und dann kam der Herbst ins Land, hähä... und so weiter. Unsere Stücke sind diesmal doch sehr von den etwas stilleren Texten geprägt und dem entsprechend sich dann auch die Songs vom Arrangement doch mehr auf das konzentriert, was es ist, nämlich Gesang mit Begleitung. Es ist mehr so ein etwas stillerer Schwermut geworden, würde ich jetzt mal so beschreiben. Das ist auch der Grund, warum die Gegensätze da nicht so hart aufeinander geprallt sind. Das hätte man natürlich auch machen können, auch in der Ballade in dem Zwischenteil, also so richtig gegen die Wand zu rennen. Aber auch das haben wir ein bißchen zurück genommen. Es ist etwas introvertierter, würde ich sagen.
Journal: Die Standardfrage ist dann natürlich: Sind die extrovertierten Sachen dann mehr in dein Soloprojekt Helium Vola geflossen? Hast du dich dort mehr ausgelebt?
Ernst Horn: Hmmm, Nein. Helium Vola hat natürlich seine eigenen Gesetze. Ich glaube nicht, daß das bei Deine Lakaien eine Rolle gespielt hätte.
Journal: Wieso nutzt ihr bei "White Lies" das optische Mittel der Farbe weiß?
Ernst Horn: Es gab im Vorfeld einige Überlegungen, wie man es grundsätzlich gestalten könnte. Und da hatten wir dann eine gewisse Auswahl zwischen verschiedenen Fotografen, Artdirektoren, wie auch immer. Und einer hat das klare, weiße Konzept gehabt. Das ist für ihn die Farbe der Unberührtheit, der Unschuld. In diese Farbe hat er bestimmte Dinge rein gesetzt. Also, Pflanzen (1. Single) und beim Album-Cover wird es ein Kaninchen mit einem seltsamen Auge sein und ohne Mund und ohne Nase, was einem auf den ersten Blick gar nicht mal so auffällt, komischerweise. Also so feine, genetische Veränderungen. Ich würde mal sagen, ich würde es als Empfindsamkeit bezeichnen, etwas Verletzliches. Es ist ja leider ein etwas abgedroschenes Wort, aber das war seine Empfindung von unserer Musik. Wir haben natürlich gewußt, daß das eine diskussionswürdige Sache ist. Es wäre schon einfacher gewesen, uns in der alt bewährten Art und Weise zu präsentieren. Aber, naja. Dann war die Entscheidung gefallen und ab dann hatte er auch die freie Hand. Sowohl für Video, Plakate, als auch alles, weil daß schon so ein bißchen unser Prinzip ist. Das wir wirklich sagen, das wenn jemand wirklich will und klar solche Vorstellungen hat, dann soll er es durchziehen und sich das nicht verwässern lassen.
Journal: Die Single "Generators" ist für mich das ungewöhnlichste Stück des Albums. Es ist experimenteller und elektronischer ausgefallen als der Rest und wirkt ein wenig surreal. Ist es gerade deshalb als erste Maxi veröffentlicht worden?
Ernst Horn: Ja, eigentlich deshalb nicht. Erstens einmal war noch nicht alles fertig, als wir die Single-Auswahl gemacht haben. Das ist halt immer so mit den blöden Terminen und der Vorab-Single. Und zweitens wäre es ja eigentlich gegen die Interessen einer Plattenfirma, die als Single gerne das kommerziellste Stück hätte und auch am ehesten unserem Image oder Klischee entgegen kommt. Das hat sich so ergeben.
"Generators" erschien schon als Song erst einmal sehr geeignet für eine Single. Auf der anderen Seite ist es schon ein Stück, was sehr sehr gleichmäßig von der Melodie und von der Harmonie her dahin fließt. Auch der Refrain steigt nicht so richtig aus. Es bleibt in so einem ganz harmonischem Fluß und da wollte ich dann etwas dagegen setzen. Also, das erschien mir dann doch zu sehr Lakaien. Die Gefahr war, daß das ganze so eine Suppe wird, ohne Konturen. Da habe ich dann so indische Trommeln, indische Rhythmen und auch so Synthesizer-Sounds, die so ein bißchen entfernt in dieses Genre rein spielen, genommen, um das ein bißchen aufzubrechen und um das zu beleben und was dagegen zu setzten. Ja gut, das war dann doch eher überraschend, daß das Stück dann doch relativ sperrig geworden ist, aber so isses nun mal.
Journal: Man hatte, nachdem man die Single gehört hatte, vielleicht ein anderes Album erwartet?
Ernst Horn: Wir wollten nun auch nicht unbedingt so ein Return machen, nur weil das damals gut gelaufen ist. Und so im Gesamten, war das dann auch für uns sehr zufrieden stellend, weil auf der Single ja dann noch einmal zwei unveröffentlichte Stücke sind und das Ganze dann doch eher wieder der Versuch ist, so eine CD im Kleinen zu machen. Und wir auch mit dem Video ja dann eher auf so eine ästhetizierende, fast experimentellen Seite stehen. Das tut uns einfach gut, weil wir sind nun mal keine Single-Band. Und bestimmte Radiostationen werden uns nie und nie spielen, da können wir machen, was wir wollen. Auch bei MTV und VIVA haben wir es nun mal nicht leicht mit unseren Sachen. Und dann lieber so eine ehrenhafte Sache, als uns da in irgendeiner Weise ranzuschmeißen.
Journal: Für mich ist "Fleeting" der Song, der am meisten Gefühl transportiert. Was gibt es zu diesem Song zu sagen?
Ernst Horn: Vom Inhalt her ist es eine Trennungsgeschichte. Als Song selber waren wir selber ein bißchen überrascht, wie er dann verlaufen ist. Ich hatte so ein bißchen das Gefühl, daß er zu langsam ist. Wir haben auch mal schneller probiert, aber das ging auch nicht. Irgend etwas hat für mich am Tempo nicht gestimmt. Dann habe ich das mit Drums gefüllt, mit kleinen Elementen und als dann ein Gitarrist im Studio akustische Gitarre dazu gespielt hat, hat sich das Stück total verwandelt. Es ist eigentlich stilistisch auch eher ungewöhnlich für Lakaien, finde ich. Es ist fast ein bißchen Mainstream geworden, finde ich.
Journal: Die Stücke "Stupid" und "Life is a sexually transmitted desease" finde ich alleinstehend betrachtet ein wenig nervig, bzw. auch zum Gesamtbild des Albums unstimmig. Wieso sind diese Stücke mit auf dem Album?
Ernst Horn: Ja, also "Stupid" ist wie der Name schon sagt, ein ironisches Stück und ich find, das es auch wirklich sehr gut tut. Gerade eine Band wie wir, die doch sehr ernsthafte, lyrische, schwermütige Lieder macht, kann sich da auch mal ein bißchen selber auf die Schippe nehmen und natürlich auch unser Umfeld. Also die Erwartungen, die an jede Band ausgesprochen oder sehr oft auch unausgesprochen da sind, wir brauchen doch was für´s Radio, oder auch die Kritiker, die auch ihre Vorstellungen haben, wie wir eigentlich klingen sollten, und natürlich auch die Fans. Die einen wollen, das wir genauso klingen wie vorher und die anderen wollen, das wir jetzt mal anders klingen. All diese Sachen haben wir eben damit gekontert, in dem wir jetzt gesagt haben, das ist jetzt ein dummes Lied und wir sind halt leider auch dumm, deswegen können wir nix anderes. Oder wir schaukeln da so in der Gegend rum. Es ist einfach ein Stück Selbstironie, aber auch ein Hieb an unser Umfeld, würde ich sagen.
"Life is ..." ist halt Reincarnation Numerro 20 oder so. Wir haben auf jeder CD ein Lied zu diesem grundsätzlichen Thema: Sinn des Lebens, Wiedergeburt und so etwas. Und bei "Life is a sexually transmitted desease" ist das alles reduziert auf Materialismus. Ganz egal, was es da vielleicht noch gibt an metaphysischen Dingen. Hauptsache es kostet Geld und man kann damit Geld verdienen. Das ist natürlich auch unter dem Eindruck der New Economy vor 1 ½ Jahren entstanden. Und es ist so ein leicht resignierender Refrain dazwischen.
Journal: Ich habe den Eindruck, du hast zugunsten des Gesangs die explodierenden, aggressiven Instrumentenparts im Gegensatz zu früheren Alben wegfallen lassen. Den Songs hat es zum reinen Durchhören des Albums im heimischen Zimmer wirklich sehr gut getan. Aber live werden sie somit ein wenig an Dynamik eingebüßt haben.
Ernst Horn: Ja, da bin ich auch gespannt. Ja, weiß ich noch nicht, ne. Da bin ich gespannt, wie wir das machen werden, also das müssen wir sehen. Ich glaub schon, daß das richtig ist, was du sagst. Ich habe aber ehrlich gesagt auch nicht daran gedacht, daß man es besser durchhören kann, oder so. Es ist dieses Mal tatsächlich mehr der Song pur. Das hat sich so ergeben aus den Stücken, vielleicht auch aus Alexanders Gesang. Es ist schwer zu sagen. Das sind so subtile Sachen, die macht man halt und da denkt man dann auch nicht so groß drüber nach. Man wird dann hinterher darauf angestupst und stellt dann fest, naja es stimmt tatsächlich. Aber live, ach wir werden uns da bestimmt etwas drauf einfallen lassen.
...Müssen wir halt die alten Stücke spielen, ne, hähähä
Journal: Wie werden sich Deine Lakaien live präsentieren, nachdem Michael Popp und Christian Komorowski nicht mehr in der Live-Besetzung dabei sind?
Ernst Horn: Also im Dezember haben wir jetzt zwei Auftritte. Einmal am 18. in Hamburg und am 19. in Berlin. Das sind aber Akustik-Auftritte.
Wir haben im März eine Tour. Schätzungsweise drei Wochen. Wir sind leider im ganzen Konzept noch nicht durch mit der Sache und auch mit der Besetzung noch nicht durch. Deswegen kann ich das jetzt noch nicht so präzise sagen, aber wir werden auf jeden Fall nicht nur zu zweit auftreten. Und wir werden wahrscheinlich einiges Grundsätzliches ändern, in der Herangehensweise und auch in der Art und Weise bei den Keybords. Das möchte ich diesmal irgendwie anders gestalten. Auch in Zusammenarbeit mit unserem Licht-Mann, der auch sehr darauf erpicht ist, da jetzt auch optisch mal wieder etwas Neues zu machen.
Journal: In der Pressemitteilung heißt es, daß die Trennung von den Live-Musikern notwendig war, um den Fortbestand von Deine Lakaien zu gewährleisten. Wie ist das zu verstehen?
Ernst Horn: Ja Gott, es war wohl wirklich an dem Punkt, wo wir das Gefühl hatten, das funktioniert jetzt grundsätzlich nicht mehr. Es war dann der Punkt da, wo dann auch Alexander meinte, er kann jetzt einfach so nicht mehr auftreten. Die Frage, ob man jetzt nur noch als Studioband fungiert und keine Auftritte mehr macht, das war dann schon eine existentielle Frage für uns und das ist sozusagen leider der Endpunkt eines von Beginn der Live-Auftritte andauernden Konfliktes mit Michael und Komo, die halt diese Rolle, die sie bei uns eingenommen haben, nie zufrieden gestellt hat. Wir waren eben so ein Synthi-Duo aus der Mitte der Achtziger-Jahre. Wir hatten ja auch schon die Grundsteine des Erfolges gelegt, bevor es auf die Bühne ging, sprich drei Produktionen mit vielen Hits, von denen wir auch heute noch profitieren. Und das war natürlich die Ausgangssituation und das war für die beiden nicht so einsehbar, das sie nicht diese Rolle spielen, die sie gerne wollten, die völlig Gleichberechtigte. Das hat halt die Konflikte permanent eskaliert, in dem Moment wo wir bei der Kasmodiah-Phase entgegen gekommen sind, ist es eigentlich dann am aller Schlimmsten geworden. Das war ein bißchen, ...naja.
Journal: Ich denke, es ist vielleicht auch mal eine Chance, einen anderen Weg zu gehen. Ich habe mir beim letzten Live-Konzert auch so gedacht, jetzt sind sie doch ein bißchen eingefahren geworden. Es war schon ein bißchen Standard mäßig.
Ernst Horn: Ja sicher. Irgend etwas hätte so oder so passieren müssen, das ist klar. Egal in welcher Besetzung. Da hätten wir uns etwas einfallen lassen müssen, das stimmt schon.
Journal: Brauchst du die absolute Unabhängigkeit in bezug auf Mitmusiker, um deiner Kreativität freien Raum zu lassen?
Ernst Horn: Naja, grundsätzlich nicht. Ich mein, ich muß ja auch irgendwo konstatieren, das es einfach auch bestimmte Rechte gibt. Das ist dann einfach so die Situation. Natürlich ist der optimale Zustand wahrscheinlich schon die völlige Unabhängigkeit, aber das hat niemand. Es ist schwer. Ich würde sagen, als klassischer Musiker ja, ... ach ne, auch da bist du es letzten Endes auch nicht, weil du da natürlich bestimmte Vorschläge bekommst.
Journal: Ich meinte nur, je mehr Musiker in einer Band sind, um so mehr Einflüsse werden natürlich auch einfließen und man gibt natürlich auch immer einen Teil seiner Gedanken auf.
Ernst Horn: Ja schon, aber bei uns war das eigentlich noch nie ein Problem, würde ich sagen. Da waren die Alternativen für mich ja tatsächlich nur die Soloprojekte oder die Arbeit mit Alexander. Und das ist doch beides in der Beziehung immer sehr befriedigend gewesen. Also so ganz schlimm ist das nicht für mich.
Journal: Könntet ihr euch vorstellen, bei einem Lakaien-Album einen Produzenten zu verpflichten, oder ist dies ein grauenvoller Gedanke für euch?
Ernst Horn: Ach, da haben wir immer schon mal dran gedacht. Man müßte dann wirklich alles anders konzipieren. Bei den Elektronikern ist es dann doch schon meistens so, daß man einen Produzenten sucht, weil man selber einfach technisch nicht die Möglichkeiten dazu hat. Weil man sagt, ich hab nur dieses kleine Heimstudio und da gehen wir mit dem Produzenten dann in ein großes Studio. Der bringt es dann in die Fasson, wie es die Plattenindustrie vielleicht gerne hat und so. Aber bei uns, die wir unsere Sachen immer bis zum aller Letzten selber fertiggestellt haben, war diese Notwendigkeit einfach erst einmal noch nicht da. Also, was man dann von einem Produzenten erwarten würde, ist einfach, daß er eine andere, völlig neue Farbe rein bringt. Und das heißt, der müßte dann schon da eingreifen, wo bei mir die Vorproduktion beginnt. Also mit den fertigen Songs im Grunde frei arbeiten. Das ist sehr schwer zu sagen, ob es dann fetzt, oder ob das ein wunderschönes gemeinsames Arbeiten ist, oder ob man sagt, jetzt mach einfach, wo du Produzent bist. Also aus meiner ganz subjektiven Sicht wäre es wahrscheinlich dann sinnvoll, wenn ich mich als Songwriter irgendwo mehr zurück ziehen würde. Vielleicht in gewisser Weise noch Ideengeber wäre.
Journal: Wie kam es zu dem überraschenden Weihnachtsgeschenk, den beiden Acoustic-Konzerten in Hamburg und Berlin? Welche Stücke werden dort gespielt?
Ernst Horn: Das war eine Idee von Alexander. Der meinte ein Weihnachtsgeschenk wäre jetzt mal angebracht, nachdem wir das auch so lange schon nicht mehr gemacht haben. Ich glaube genau sechs Jahre ist das jetzt her.
Jaaa, für mich heißt das, jetzt viel Klavier üben in relativ knapper Zeit. Spielen werden wir sicherlich einiges von den alten Sachen, aber nachdem da in Zwischenzeit nach 95 drei Studioalben waren, wird es auch neue Stücke geben, also von "Winter Fish Testosterone", "Kasmodiah" und auch von "White Lies" werden wir bestimmt drei neue Stücke spielen.
Journal: In einem anderen Interview habt ihr einmal gesagt, daß Deine Lakaien für viele Menschen eine Art Insel darstellt. Viele finden sich, verstärkt durch die Stimme von Alexander, in der melancholischen Grundstimmung geborgen. Wie habt ihr das gemeint?
Ernst Horn: Ja, das ist schon so. Das ist so ein Grundgedanke, inwieweit Geborgenheit auch Stärke verleihen kann. Inwieweit auch eine Musik wie unsere, die ja nun eher schwermütig ist und zum Depressivem neigt, gerade Leuten, die auch in so einer Stimmung sind, helfen kann. Weil so eben gerade in die selbe Richtung geht und nicht zu ihnen sagt, hey du Idiot, was ist denn los mit dir du hast doch überhaupt keine Probleme, hähähä... verstehst du, was ich meine. Einer hat mir einmal gesagt, wir seien für ihn besser als 20 Psychiater. Das ist einfach ein Gefühl, was ich auch persönlich kenne von klassischer Musik, von Schubert-Liedern und so etwas. Wo ich mich einfach irgendwie verstanden fühle.
Journal: Ist eigentlich die schwermutige Musik intelligenter als die heitere Musik?
Ernst Horn: Ahhh, das glaube ich nicht. Man kann ja beides zum Klischee verkommen lassen und einfach billigen Käse machen. Wenn jemand wirklich in der Lage ist, in großartiger Weise seine Freude zu vermitteln, dann ist das natürlich genauso toll. Es ist halt für viele Künstler offensichtlich das Anziehendere, diese zum Dunklen neigende Kunstformen, die vielleicht auch irgendwie mehr Chancen bieten durch die Undeutlichkeit. Ich will jetzt nicht mit dem Nebel anfangen und mit dem Trockeneis. An der Sonne und in der heiteren Musik ist halt sehr vieles klar und eindeutig zu machen. Es ist sehr schwer, warum machen wir jetzt kein Sunshine-Reggea, das ist wahr, oder Highspeed-Techno, oder warum empfindet man jetzt Rave als oberflächlicher als Nick Cave. Das ist wirklich eine sehr sehr schwierige Frage. Bei uns ist es einfach irgendwo auch eine chemische Sache. Wir fühlen uns als Künstler da wirklich wohler.
Journal: Für viele Menschen transportiert eure Musik mehr, als es bei der reinen Konsummusik der Fall ist. Ist es in der heutigen Zeit schwer, musikalisch emotional zu berühren?
Ernst Horn: Das ist natürlich ein generelles Problem, daß man im Grunde zu viel Musik mit kriegt. Und daß man auch so eine bestimmte Soundästhetik mit kriegt, im Radio immer den Wettlauf, wer am lautesten den Hörer anbrüllt. Das ist sicher ein Problem. Mein Kredo ist wirklich, daß man generell überhaupt weniger Musik hören sollte. Daß man selber ein Instrument spielen sollte. Daß man öfter mal auf ein Konzert geht. Daß man sich auch die Situation, in der man Musik hört, sich ein bißchen raus suchen soll. Also, daß es nicht immer mitlaufen muß und daß man sich zu Hause für eine CD wirklich hinsetzt. Wir können uns eigentlich nicht so beklagen. Wir haben doch ein relativ gutes Zuhör-Publikum. Wir merken das auf den Konzerten und auch an der Resonanz von Leuten, die sich doch ziemlich genau mit den Sachen beschäftigen und sich das auch in Ruhe durchhören. Es ist schwierig, es ist halt so verfügbar geworden und es ist zu viel. Das ist sicher irgendwo ein Problem. Aber ich würde sagen, ich sehe es nicht so pessimistisch, ne. Ich glaube für Bands, die solche Sachen machen wie wir, ist immer Platz da.
Journal: Was hat dich bei Alexanders Soloaktivität am meisten verwundert?
Ernst Horn: Ich kannte ja natürlich auch Alexanders erste Solo-CD, die vielmehr gitarrenorientiert war. Es ist schon in der Neuen natürlich mehr Eleganz drin, auch die Elektronik und das Songwriting sind ganz andere Facetten. Das erste Stück ist auch ein total interessantes Stück mit diesem Rhythmus, was ein ganz ungewöhnlichen Rhythmus besitzt, was aber in dem Zusammenhang total gut funktioniert. Es ist noch einmal eine ganz andere Wendung gegenüber dem ersten Album. Die Harmonien sind ganz anders geworden. Es sind wirklich auch ganz überraschende Wendungen drinnen. Und auch so eine Eleganz, die auch vorher nicht da war. Es ist schon ein ganz anderes Album, glaube ich alles in allem.
Journal: Gibt es Stücke, bei denen ihr überlegt, ob ihr sie als Deine Lakaien oder in den Soloprojekten veröffentlichen sollt?
Ernst Horn: Nee, nee. Bei mir ist es so wie so, wenn ich etwas für Helium Vola mache, dann ist das von vornherein klar, weil ein Mittelaltertext dann meistens da ist. Alexander, der doch hauptsächlich Texte macht, weniger Kompositionen, glaube ich, ist es schon ziemlich klar. Außerdem ist es ja auch so, daß wir immer so diese Abschnitte haben, während der wir dann wirklich für dieses Projekt arbeiten. Witzigerweise aber das erste Stück von der "White Lies", "Wunderbar" heißt es, hatte ich tatsächlich Alexander einmal gegeben für sein Soloprojekt. Irgendwie war es zu spät und er hat es nicht mit rauf genommen und das ist jetzt der Opener unseres Albums geworden. Also, das war jetzt mal so was, aber normalerweise eigentlich nicht.
Journal: Die Möglichkeit, die Lakaien-Songs verschiedenartig zu instrumentieren, scheint unbegrenzt. Die Stücke scheinen in verschiedensten Gewändern zu funktionieren. Dies ist bei anderen Gruppen, gerade elektronischen Gruppen, oftmals nicht der Fall. Woran liegt das?
Ernst Horn: Ich denke, daß es einfach daran liegt, daß sie es nicht so versuchen, oder es vielleicht auch nicht so umsetzten können. Bei uns ist es einfach ein Bedürfnis und das hat natürlich viel mit dem Live-Spiel zu tun, weil wir Live die Sachen komplett umbauen wollen. Da gehen wir einfach zur Basis zurück, da gehen wir zum Song zurück und nicht zu dem, was am Sequenzer entstanden ist. Vielleicht liegt es auch daran, daß viele Band ihre Sachen am Sequenzer/Computer machen und letzten Endes der Song im nackten Gerüst nicht so trägt.
Journal: Sind die Stücke für euch Zeitdokumente, oder befinden sie sich immer im Fluß? Wenn ihr sie live spielt oder neu auf ein Album einspielen würdet, sollten sie dann anders klingen?
Ernst Horn: Ja sicher. Da gibt es schon Entwicklungen. Auch wenn man sie sich anhört, da denkt man schon: Naja damals war es so wie es eben war, aber heute würden wir es anders machen. Das ist ganz bestimmt so.
Journal: o.k., letzte Frage: Ein treffender Ausspruch der Promoagentur lautet:
Deine Lakaien haben sich nicht verändert, aber die Welt hört ihnen besser zu...
Ernst Horn: Ja, das wäre schön. Das ist äußerst optimistisch. Als Skeptiker würde ich sagen, warten wir es ab. Da lach ich jetzt einmal zu. Ich würde mich ja freuen, wenn es so wäre. Es wäre ja schön.
Journal: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft.
(Maik Heinsohn 28/11/2001) |