Musikalische Vagabunden
der Neuzeit Mittelalterliche Spielmannskunst gepaart mit schnellen Techno-Beats: Tanzwut
Der Name der Gruppe ist Programm.
Die Musik der Berliner Spielleute ist die ultimative Droge für alle Tanzwütigen.Techno ist out - Tanzwut wird in sein.
Tanzwut wird in der Literatur beschrieben als ein krankhafter Zwangstanz, dem im Mittelalter die Menschen verfallen waren, die die Pest vor Augen hatten. Ein neues Millennium bricht an und mit der Musik von Tanzwut hat das Volk die adäquate Endzeitmusik zum Tanz in eine ungewisse Zukunft auf den Plattentellern
liegen.
Tanzwut ist ein Ableger oder besser gesagt eine moderne Variante der Formation Corvus Corax. Mit mittelalterlicher Spielmannskunst dargeboten auf Mittelaltermaerkten haben Corvus Corax sich einen Namen gemacht. In der Mischung aus bis zu fünf selbst gefertigten Dudelsäcken (Bagpipes), Pauken, Trommeln und Flöten unterhalten sie ihr Publikum gänzlich ohne elektrische Verstärkung. Ganz unbescheiden bezeichnen sie sich als die „Könige der Spielleute“. Tanzwut verfolgten eine zeitgemässere, technoide Variante der traditionellen Spielmannskunst des Mittelalters. Harte Gitarrenriffs, schnelle Technobeats, kalte Electroklänge und ein rauher, deutscher Gesang bereiten das Feld für das eigentliche Charakteristikum von Tanzwut, den melodischen Dudelsäcken. Im musikalischen Zeitalter des Crossover wurde nahezu alles miteinander gekreuzt. Ungewöhnlich ist bisher der Einsatz von mehreren Dudelsäcken in der Rockmusik. Es gibt nur wenige Musiker, die Dudelsäcke so effektiv spielen können. Neben den musikalischen Qualitäten kommt auch der visuelle Reiz von Tanzwut nicht zu kurz. Ihre Bühnenkleidung besteht zum Großteil aus selbst gefertigten Stahlassecoires, Ketten, Lederschürzen, Hornpanzern und mittelalterlichen Gewändern getragen auf geschmiedeter, nackter Männerbrust. Bei ihren Auftritten bringen Feuerdarbietungen und Explosionen die Luft zum brodeln. Die Aktion und die Show auf der Bühne stehen gleichberechtigt zur Musik bei ihren Liveauftritten. Tanzwut sind aus der Vergangenheit zu uns gestoßen, um die Tradition der Spielleute in die Neuzeit zu retten. Produziert hat das Debütalbum Jon Caffery, der seines Zeichens auch die Toten Hosen produziert hat. Auch wenn Vergleiche den eigentlichen Kern nie genau treffen, ist eine musikalische Nähe zu Gruppen wie Rammstein, Joachim Witt und Prodigy nicht zu übersehen. Der an NDW-Zeiten erinnernde Begriff der Neuen Deutschen Härte drängt sich zur Beschreibung dieser neuen Musikform unweigerlich auf. (Maik Heinsohn 03/1999) |