Umwelt und Klangdesign
Journal-Interview mit
Bruno Kramm und Stefan Ackermann von Das Ich

Ungekürzte Fassung

Das Elektro-Avantgarde Duo Das Ich, alias Stefan Ackermann und Bruno Kramm zählt zur Sperrspitze des deutschen Underground. Anläßlich der Erscheinung ihres neuen Albums "Staub" traf das Journal die beiden in Bremen. Während Stefan sich vornehmlich seiner vegetarischen Kost widmete, gab Bruno bereitwillig Auskunft.


Journal: Euer Debütalbum "Die Propheten" befaßte sich mit dem Thema Religion und Christentum. In den letzten Wochen ist nun das neue Album "Staub" erschienen. Was ist das Konzept?
B.K.: Das neue Album basiert auf dem Konzept gesellschaftlicher, sozialer Problematiken, Umweltproblematiken, einfach die Umwälzung unserer Gesellschaft in immer größeren und schnelleren Schritten. Das ist der Umriss des Albums. Es wurde in eine Rahmenhandlung gefaßt, ähnlich wie bei dem Propheten Album. Trakl, der expressionistische Dichter von 1910, der dieses Gedicht geschrieben hat, hat damals schon dieselben gesellschaftlichen Probleme gesehen.

Journal: Die Instrumentierung auf "Staub" ist ausgefeilter und wirkt nicht mehr so statisch wie auf "Die Propheten". Der angekündigte Stilwechsel hat aber nicht stattgefunden.
Bruno Kramm B.K.: Wir haben uns weiterentwickelt. Es war klar, dass dieses neue Thema eine komplett andere Instrumentierung verlangt. Das neue Material ist vom Inhalt wesentlich authentischer, realer, realistischer, und verlangt deswegen auch von der Musik gerade eine gewisse Realität.


Journal: In wieweit ist der Klang eurer Musik von den technischen Vorraussetzungen abhängig?
B.K.: Es ist einfach so, dass bei dem neuen Album sehr viel von der Kompositionsarbeit auch am Klangdesign hing. Elektronische Musik machen heißt ja auch am Klang zu experimentieren und zu arbeiten. Und da schaut es so aus, daß viele elektronische Bands einfach nur Werksounds verwenden, ohne eigentlich selber effektiv am Klangdesign zu arbeiten. Und das ist bei uns schon ein bißchen anders.

Journal: Warum benutzt ihr die deutsche Sprache ?
B.K.: Mit der deutschen Sprache können wir uns am direktesten artikulieren. Sie ist auch klanglich für uns sehr interessant. Gerade die deutsche Sprache mit ihrer harten Rhythmik und harten Akzentuiertheit, kann einen eigenen Polyrhythmus zur Musik bilden.

Journal: Deine Lakaien, Wolfsheim, Project Pitchfork, And One, usw. sind alles Gruppen, die in letzter Zeit Chartplazierungen verbuchen können. Ist hier eine Tendenz für die Zukunft abzusehen?
B.K.: In Amerika sind Gruppen wie Nine Inch Nails in den Billboard-Charts auf Platz Nummer 1. Das ist unvorstellbar, wenn man ein paar Jahre zurückdenkt - so extreme Musik. Aber entsprechend langsam verändern sich die Hörgewohnheiten. Genauso wie in Deutschland. Als Nirvana rauskam, wer hätte sich vorstellen können, daß die irgendwann im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk laufen.

Journal: Ihr habt eure erste US-Tour absolviert, mehrere Auftritte in Frankreich und dann noch in über 20 deutschen Städten. Ich bin der Meinung, die Live-Darbietung hat ein wenig an Aggressivität verloren. Woran lag das?
Stefan Ackermann S.A.: Das Konzept vom Propheten Album war nun mal sehr plakativ, sehr übertrieben, weil eben das Thema Religion sehr mit plakativen Begriffen um sich schmeißt. Und so kann man dann als Monster auf der Bühne stehen.



Journal: Ihr habt im Sommer eure erste US-Tour abgeschlossen. Was haltet ihr vom amerikanischen Publikum?
B.K.: Super. Einfach klasse. In Amerika wird generell diese ganze Art von Musik als Rock-Musik bezeichnet und das Publikum ist auch dementsprechend bunter gemischt. Die Leute sind wesentlich euphorischer als bei uns.

Journal: Wie steht ihr heute zu dem Stück "Gottesī Tod" ?
B.K.: "Gottes Tod" ist im Rahmen dieser konzeptionellen Auseinandersetzung mit dem Thema Religion in Ordnung. Als Hit alleine für sich stehend, finden wir den Song ein bißchen irreleitend und ein wenig problematisch. Es war der erste Song, den wir gemacht haben. Insofern ist er noch von Anfangsschwächen durchgesetzt.

Journal: Was ist für die Zukunft geplant. Was ist von der Zusammenarbeit mit dem Deine Lakaien Musiker Alexander Veljanow zu erwarten ?
B.K.: Das ist ein Projekt, wo Künstler aus dem Underground- Sektor frei von allen Konventionen experimentieren können, was sie in ihren eigenen Projekten oft nicht machen können. So wollen wir uns mit vielen Musikern aus Deutschland treffen und sessionmäßig, aus dem Bauch heraus eine Platte machen. Dann haben wir ein anliegendes Soloalbum von Cyan von "The Eternal Afflict", die nächste Qntal Scheibe soll bei uns gemacht werden. Im März wird noch mal eine Deutschlandtour kommen.

(Maik Heinsohn 01/1995)

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