Sehnsucht nach dem
Unberührten

Ernst Horn über sein neues Projekt Helium Vola


Helium Vola: Sabine Lutzenberger, Ernst Horn


Ungekürzte Fassung


Ernst Horn ist diplomierter Opern-Kapellmeister, klassischer Pianist und hat als Dirigent gearbeitet. Er war am Staatstheater Oldenburg und Karlsruhe und am Bayrischen Staatsschauspielhaus München beschäftigt. Außerdem ist er der kompositorische Kopf der Dark-Wave Formation Deine Lakaien.


Das Journal sprach mit dem charismatischen, bayrischem Urgestein über sein neues Projekt Helium Vola und die elektronische Musik der Neuzeit in Verbindung mit der Mittelaltermusik.



Journal: Was möchtest du mit dem Projekt Helium Vola umsetzen?
Vertonung von mittelalterlicher Lyrik?
Ernst Horn: Ich bin nun überhaupt kein Experte, was die Lyrik betrifft. Es ist eben mehr eine Vorliebe für diese Art von Musik. Ich bin ja eigentlich klassischer Musiker. Ich habe damit relativ spät erst Kontakt gehabt und das hat mir von Anfang an etwas gegeben, dieses ganz Alte, Seltsame, Unberührte. Es rührt irgendwie eine ganz komische Sehnsucht in einem an. Die hat natürlich überhaupt nichts mit den wirklichen Umständen zu tun von damals. Sondern es ist etwas, was man sich anscheinend selber herbeisehnt.

Journal: Wie schwer ist es, mittelalterliche Instrumente in ein elektronisches Arrangement einzubinden?
Ernst Horn: Die Schwierigkeiten sind für mich nicht technischer Natur. Also das ist alles wunderbar machbar und auch vom Sound kann man das wunderbar einbetten. Die Schwierigkeiten sind für mich stilistischer Natur. Die Instrumente und deren Spielweisen, speziell die Mittelalterinstrumente, sind mit ganz bestimmten Assoziationen verbunden. Diese Instrumente verlangen auch ganz bestimmte Harmonien. In der harmonischen Hinsicht ist meine Musik irgendwo teilweise zu komplex für die Instrumente. In der rhythmischen Struktur und im Aufbau ist sie teilweise wieder zu einfach, so das ein Drehleier-Virtuose seine Stärken gar nicht mal so entfalten kann.

Journal: Warum bindest du überhaupt Naturinstrumente ein? Du könntest doch sicherlich die Instrumente auch sampeln?
Ernst Horn: Das ist ein Zwischending zwischen einer traditionellen Instrumentalaufnahme und einem Sampling. Warum ich sie drin habe ist einfach: diese Sachen leben. Es passieren einfach Sachen, die du mit dem Synthesizer so nicht kriegst.

Journal: Verwendest du die elektronischen Elemente in deiner Musik der elektronischen Klangästhetik wegen?
Ernst Horn: Es gibt natürlich eine elektronische Klangästhetik. Elektronik hat schon auch ihre Grenzen und kann auch ganz schön stur und steifbeinig sein. Eine Melodie mit einem Synthesizer wirklich so hinzukriegen, daß sie lebt, daß sie atmet, wie es vielleicht im Idealfall ein Sänger machen würde, das ist schon ein dickes Problem.

Journal: Würde man den Menschen aus dem Mittelalter die Musik von Helium Vola vorspielen, wie würden die Menschen darauf reagieren?
Ernst Horn: Ich glaube, sie würden sie einfach nicht verstehen, weil sie sie nicht gewohnt sind. Das wäre denen völlig fremd. Das wäre für die so, wie wenn wir jetzt mongolische oder japanisch traditionelle Musik hören.

Journal: Eine Revolution in der Musikgeschichte war der Synthesizer und der Sampler. Wie könntest du dir ein Instrument der Zukunft vorstellen?
Ernst Horn: Also mit ganz großem Schwerpunkt auf die manuelle Beherrschung. Nicht mausklicken und so. Wirklich ein Universalinstrument mit variabler Oberfläche, die aber berührungsempfindlich ist. Wo man wie ein Klavierspieler mit Handdruck Parameter verändern kann, mit Handbewegungen eine absolut manuell und spontan zu bearbeitende, wechselnde Bedieneroberfläche als Synthesizer und Sampler.
Da würde ich auch noch mal zuschlagen.




(Maik Heinsohn 10/2001)

Ungekürzte Fassung

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