"Ich liebe es,
Erwartung zu enttäuschen"

Journal-Interview mit Peter Spilles

Project Pitchfork

Ungekürzte Fassung


Project Pitchfork zählen zu den Veteranen der deutschen, alternativen Musikszene. Ihre rauhen, harten Electro-Klänge begeistern seit Jahren auch szeneunabhängiges Publikum. Das Journal sprach anläßlich des neuen Albums "Daimonion" mit Mastermind Peter Spilles über Schutzgeister, Religion und Musikmutationen.


Journal: Was drückt der Albumtitel Daimonion aus ?
Spilles: Daimonion heißt Schutzgeist im Altgriechischen, oder aber auch die warnende innere Stimme. Da unsere Texte eigentlich immer in diese Richtung tendieren, haben wir uns entschlossen, das Album so zu benennen.

Journal: Was treibt dich, gegen die vermeintlichen Gefahren unser Zivilisation anzusingen ?
Spilles: Ich bin halt die warnende innere Stimme.

Journal: Meinst du, daß du damit etwas verbessern kannst ?
Ja. Zwar nicht in dem Maße, wie es Politiker könnten, sondern halt viel subtiler. Aber es funktioniert im Kleinen und das ist immerhin schon etwas.

Journal: Ist der Buddhismus, den du als positiv bewertest, gerade für viele junge Menschen in unserer Gesellschaft so interessant, weil er eine gewisse Mystik und etwas Fremdes, Unerklärtes beinhaltet ?
Spilles: Ich sehe viele Parallelen im Buddhismus zu dem, was ich ohnehin glaube, mir selber angeeignet habe oder als richtig und gut empfand.

Journal: Ihr seid eine recht emotionale Band? Spiegelt sich dies auch in eurer Arbeitsweise wieder?
Spilles: Ich denke als Musiker mußt du emotional sein. Ansonsten machst du Techno.

Journal: Eure Musik ist mit elektronischen Instrumenten eingespielt. Gab es schon mal Ambitionen Akustikinstrumente einzusetzen?

Spilles: Also das oberste Gesetz bei mir lautet, was paßt, das muß auch gemacht werden. Wenn ich der Meinung bin, da gefällt mir ein Saxophon zu oder eine Akustik-Gitarre, dann wird die einfach dazu gespielt. Das haben wir konkret auf Daimonion auch gemacht.

Journal: Wieso habt ihr euch bei Daimonion diesmal mehr Zeit genommen?
Spilles: Aus dem ganz einfachen Grunde, weil uns das Geld nicht im Nacken saß. Es ist das erste Album, was komplett im eigenen Studio entstanden ist. Wir hatten einfach Zeit Dinge zu probieren, die wir schon immer mal machen wollten.

Journal: Woher nehmt ihr die Inspirationen für eure Musik?
Spilles: Ich ziehe Inspirationen eigentlich aus dem Alltag, Bücher, Filmen, Nachrichten und meiner Freundin.

Journal: Warum koppelt ihr als Singles immer die sperrigen, unmelodischen Stücke zuerst aus?
Spilles: Ich liebe es, Erwartungshaltungen zu enttäuschen. Das hat so etwas diabolisches. Das befriedigt irgendwie meinen inneren Schweinehund.

Journal: Probiert ihr viele Sachen aus, oder habt ihr bei der Aufnahme der Stücke bereits feste Vorstellungen im Kopf ?
Spilles: Teilweise ist es mal ganz interessant, Songs einfach mal so zu behandeln, wie ich Remixe von anderen Bands angehe. Wenn ich beispielsweise für andere Bands einen Remix anfertige, werfe ich erst einmal die gesamte Musik weg und nehme mir einfach nur den Gesang vor. Darum herum baue ich etwas neues. Genau das Gleiche passiert auch hin und wieder bei Pitchfork, einfach weil es irgendwie befriedigt.

Journal: Dieses Jahr wird von der Musikbranche als das Jahr der Ablösung der seichten, Retortenmusik und der Reinkarnation der härteren Rock-Musik betrachtet. Seht ihr dies als eine Chance oder als eine Gefahr für euch.
Spilles: Die Plattenindustrie sieht sich halt endlich mal im Untergrund um und entdeckt die Bands, die da bereits seit 20 Jahren existieren. Das Problem ist bloß, was für eine Mutation die Industrie daraus kreieren wird. Man hat das auch ganz schön gesehen bei der Neuen Deutschen Welle. Wo aus dem Untergrund einige Sachen herausgezogen werden, um das dann mutieren zu lassen, damit es doch eher formatgerecht ist.

Journal: Aber Mutation bedeutet doch gleichzeitig Evolution. Vielleicht kann ja doch was gutes daraus werden?
Spilles: Ja, aber auf eine Frau mit fünf Brüsten kann ich auch verzichten. Es kommt immer auf das Endprodukt an, ob es ästhetisch ist. Ich könnte mir schon vorstellen, daß die Schwarze Szene definitiv das Potential für den Overground hat. Einfach weil dort ein unglaublich kreativer Output ist und der fehlt in anderen Szenen.




(Maik Heinsohn 02/2001)